Automatisierungstechniker rütteln Schaltschränke - VDI-News

2021-12-05 13:04:35 By : Ms. Summer Tao

Neben dem Schaltschrankspezialisten Rittal und dem Verein „Smart Cabinet Building“, die den Schaltschrankbau stärker automatisieren wollen, hat sich der Automatisierungsspezialist Beckhoff ein ganz anderes Konzept einfallen lassen. Damit sollen Schaltschränke teilweise überflüssig werden. Dies wurde Ende November in digitalen Präsentationen rund um die ungewöhnliche Messe SPS in Nürnberg deutlich.

Initiative Smart Cabinet Building Grafik: Weidmüller

Schaltschränke zu konfigurieren und anschließend zu bestücken und zu verdrahten ist ein zeitaufwändiger Prozess. Aus diesem Grund sind einige Unternehmen bereits damit beschäftigt, den Prozess von der Planung im E-CAD-System über die Fertigung und Montage bis hin zum Service in der Anwendung zu digitalisieren. Vom Bestellprozess über die Montage bis hin zum Service sollen viele Aufgaben effizienter gelöst werden. Daran arbeitet neben dem deutschen Schaltschrank-Marktführer Rittal seit April 2020 auch die Initiative Smart Cabinet Building. Gegründet wurde die Initiative von den Firmen Armbruster Engineering, Komax, Weidmüller und Zuken, die zuvor jeweils bestimmte Aspekte abgedeckt hatten . Ende November wurde nVent Hoffmann als neuer Partner vorgestellt. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Automatisierungslösungen für den Gehäuseumbau. Ziel der Initiative ist es, durch die Vernetzung von Technologie und Know-how über alle Prozessschritte hinweg ganzheitliche Lösungen für die Herausforderungen im Schaltschrankbau anzubieten. Ziel von Smart Cabinet Building ist es, Schaltschrankhersteller durchgängig vom Engineering bis zur Inbetriebnahme zu unterstützen.

Weidmüller bringt seinen Workplace Solutions-Ansatz ein. Dazu gehören die schnelle Lieferung vorkonfektionierter Klemmenleisten, die mit dem Weidmüller Konfigurator geplant wurden, manuelle Lösungen und Handtools für die Klemmenkonfektionierung und deren Verkabelung sowie Drucker zur Kennzeichnung der verschiedenen Komponenten. Diese basiert auf der digitalen Integration mit entsprechenden E-CAD-Schnittstellen bis hin zu teil- und vollautomatisierten Lösungen, zB für die Kabelkonfektionierung.

„Der Arbeitsplatzansatz erfreut sich immer größerer Beliebtheit“, erklärte Christian Dülme, Leiter „Automatisierter Schaltschrankbau“ bei Weidmüller, in einer Online-Konferenz. Bei der Umsetzung stellt sich jedoch häufig die Frage nach dem Zeitaufwand, den benötigten Daten oder den Zuständigkeiten verschiedener Abteilungen. Diese könnten jedoch durch positive Aspekte schnell beseitigt werden. Die Bühler Group aus der Schweiz beispielsweise konnte mit dem Online-Konfigurator und den auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Kennzeichnungssystemen die Lagerhaltung optimieren und Fehler und Ausschuss reduzieren.

Der Weg von Weidmüller geht dann von Halbautomaten zu modularen, vernetzten Systemen wie dem „Wire Processing Center“ (WPC), bestehend aus einem Schneideautomaten für die Kabel, einem Crimpautomaten für die verschiedenen Kontakte an den Kabelenden und mehreren automatische Druckmaschinen für die Etikettierung. Sikom-Essra aus Österreich entschied sich aufgrund der enormen Wachstumsraten für einen WPC, da die Zahl der zu konfigurierenden Leitungsenden in der manuellen Verarbeitung deutlich gestiegen war. Auch ein anderer Nutzer nutzt die Möglichkeit der digital unterstützten Kabelkonfektionierung. Schließlich sorgt der RailAssembler auf höchstem Automatisierungsgrad für die automatische Bestückung von Klemmenleisten.

Als Beispiel für die Zusammenarbeit im Smart Cabinet Network nannte Dülme die Implementierung einer Industrie 4.0-Lösung beim Schaltschrankhersteller BAH Deutschland. Hier hat der Partner Armbruster Engineering die digitale Anbindung der Automatisierungslösungen von Weidmüller in die Prozesse der Anwender übernommen.

Einen anderen Ansatz verfolgt der Automatisierungsspezialist Beckhoff. Schaltschränke möchte das Unternehmen zum Teil komplett überflüssig machen und so den Aufbau von Schaltungen noch weiter vereinfachen. Gleichzeitig will das Verler Unternehmen damit Bauraum sparen. Basis dafür ist ein standardisierter Automatisierungsbaukasten, das MX-System. „Schaltschrank und Steuerung fügen sich zu einem System zusammen, sodass wir einen typischen Standard-Schaltschrank komplett ersetzen können“, erklärt Firmenchef Hans Beckhoff im Online-Format „Good Morning Automation“ des SPS-Magazins. Das System enthält alle Funktionselemente eines Schaltschranks.

Die Steuerung wird zum modularen Schaltschrank Foto: Beckhoff Automation

Das System besteht aus einer robusten Aluminiumgrundplatte in der Schutzklasse IP67 (Schutz gegen Staub und Wasser) mit integrierten Modulsteckplätzen. Diese nutzen Industrial Ethernet (EtherCAT) zur Kommunikation und verfügen über eine integrierte Stromversorgung. Funktionsmodule werden einfach aufgesteckt und festgeschraubt. „Durch Festschrauben wird die Stromversorgung automatisch mit 400V oder 600V und EtherCAT verbunden“, erläutert Beckhoff den Montageprozess.

Der Systemverbund aus Grundplatte und Modulen hat ebenfalls die Schutzart IP67 und kann somit direkt an der Maschine montiert werden. Hans Beckhoff beschreibt es als geschickte Kombination aus der bestehenden Technologie seines Unternehmens und neuen Modulen auf Basis von EtherCAT. Das System reduziert den Aufwand für Hersteller insbesondere in der Planungs- und Montagephase. Der Maschinenbauer muss den Schaltschrank nicht mehr bestellen und kann ihn laut Firmenchef oft selbst montieren. Verdrahtungsfehler und individuelle Adernbeschriftung würden letztendlich eliminiert. Integrierte Diagnosefunktionen reduzieren zudem die Komplexität für den Endanwender.

Hintergrund: Das Portfolio von Beckhoff Automation umfasst nahezu alle Komponenten zur Automatisierung einer Maschine oder Anlage, von der Steuerungssoftware (TwinCAT) über Industrie-PCs, Ein- und Ausgänge (I/Os) und Antriebe bis hin zu Netzteilen und Kabeln. Auch im Schaltschrankbau verfügt das Unternehmen nach eigenen Angaben über viel Erfahrung. Heute sind allein in diesem Bereich rund 250 Mitarbeiter beschäftigt.

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