Fertigungssteuerung automatisieren: Der Weg zur Smart Factory

2022-09-11 09:00:25 By : Mr. Liam Mai

Aufbau und Optimierung IT-gestützter Produktionsprozesse + Industrie 4.0 + Internet der Dinge

Aufbau und Optimierung IT-gestützter Produktionsprozesse + Industrie 4.0 + Internet der Dinge

Die SAP-ME-Standardsoftware ist das neue Herzstück der Produktionssteuerung bei Stiebel Eltron. Damit treibt das Unternehmen den bereits über viele Jahre eingeschlagenen Weg der Digitalisierung und Integration seiner Geschäftsprozesse mit enger Einbeziehung der Fertigung konsequent voran. Intelligente Steuerung, Rückverfolgbarkeit sowie Online-Werker-Führung statt Papier sind nur einige der gemeinsam mit den SAP-Ingenieuren der IGZ realisierten Mehrwerte auf dem weiteren Weg zur Smart Factory.

Fertigungssteuerung auf dem nächsten Level: Das Unternehmen Stiebel Eltron zählt europa- und weltweit zu den Top-Anbietern von Haustechnik und leistet mit effizienten und komfortablen Produkten zur Nutzung grüner Technologien einen aktiven, nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende. Hinter der auf allen fünf Kontinenten vertretenen Marke stehen rund 4.000 Mitarbeitende, die einen jährlichen Jahresumsatz von mehr als 800 Millionen Euro erwirtschaften. Produziert wird am Hauptsitz im niedersächsischen Holzminden, im hessischen Werk Eschwege sowie in der Slowakei, Schweden, Thailand und China. Allein in Holzminden, dem größten Fertigungs­standort, stellt das Unternehmen Jahr für Jahr Millionen an Elektro-, Warm­wasser- und Heizgeräten, Systeme zur Nutzung regenerativer Energien und Wärmepumpenheizungen sowie Anlagen zur kon­trollierten Wohnungslüftung mit Wärme­rückgewinnung her.

Stiebel Eltron möchte den mit der strategischen Ausrichtung verbundenen Nachhaltigkeitsanspruch auch in der Produktion kontinuierlich umsetzen. Verfolgt werden neben der Abkehr von papiergestützten Prozessen insbesondere eine deutlich erhöhte Transparenz bei der Fertigungssteuerung, durchgängige Rückverfolgbarkeit bis hin zur Losgröße 1 sowie ein verschlankter, koordinierter Ressourceneinsatz. Das initiierte Projekt „Digi­talisierung in der Produktion“, bei dem SAP ME (SAP Manufacturing Execution) im Rahmen der neuen SAP-IT-Strategie als MES-System mit Echtzeit-ERP-Standard-Integration gesetzt war, bedingte neben der Implementierung der Standardsoftware Investitionen in Automatisierung, neue Montagelinien und die Logistik.

Dabei stand die Entwicklung mehrerer MES-Prozess-Templates im Fokus, welche im ersten Schritt auf die neue Montage­linie „Multiline“ – einer flexibel konfigurierbaren Montagelinie für Wärmepumpen – angewandt werden sollten. Ziel war es, die papierlose Fertigung und Steuerung der Produktion durch die Integration eines fahrerlosen Transportsystems (FTS) und zukünftig auch autonomer ­Roboter zur Ver- und Entsorgung der Montageplätze zu unterstützen und nochmals effizienter auszurichten. Darüber hinaus war eine Integration zur bestehenden SAP-basierten Instandhaltung (PM) und Qualitätssicherung (QS) zu realisieren. Mit SAP ME als operativem MES für die Produktionssteuerung würde es zukünftig zudem möglich sein, an der Weiterentwicklung der Standardsoftware durch die SAP SE zu partizipieren. Überzeugt hatte nicht zuletzt deren Kompatibilität und die hohe Inte­grationstiefe in SAP S/4HANA als ERP-Nachfolger von SAP ECC 6.0.

Der Nutz- beziehungsweise Mehrwert von SAP ME als präferiertes MES für die Fertigungssteuerung wurde im Rahmen der dezidierten, von IGZ durchgeführten, Einsatzanalyse bestätigt. Auf die Bestellung der neuen, für den Pilot-Bereich Wärmepumpenproduktion bestimmten Montage-Linie folgte der Kick-off im November 2020. Beginnend mit der Spezifikation der Basis-Templates erfolgte die SAP-ME-Implementierung inklusive Shop-Floor-Integration, darunter auch fahrerlose Transportfahrzeuge. So konnte man den Go-Live der „Multiline“ bereits im Oktober 2021 – und damit in weniger als einem Jahr – erfolgreich abschließen. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor dafür war die strukturierte Projektvorbereitung durch die IGZ-Einsatzanalyse mit Migrationskonzept, Rahmenterminplan und Budgetierung.

Bei der MES-gestützten Digitalisierung der Produktionssteuerung von Wärme­pumpen waren entlang der Linie ­15 Montageplätze abzubilden. Diese sind allesamt mit jeweils einem Werker-Terminal ausgestattet, über das die schrittweisen, produktionsbegleitenden Arbeitsanweisungen von der Montage über das Löten und die Dichtigkeitsprüfung bis hin zu erforderlichen Nacharbeiten bei Abweichungen leicht verständlich und prozesssicher visualisiert werden. Jeder Fertigungsauftrag ist mit einer eindeutigen Serial-Nummer und deren Verifikation verbunden. Auf diese Weise lässt sich jedes erstellte Produkt bis zur Losgröße 1 exakt identifizieren und rückverfolgen. In diesem Zusammenhang wird darüber hinaus ein individualisierter Druck eines kleinen Etiketts direkt aus SAP ME angestoßen. Weitere Ausdrucke sind für den Betrieb nicht mehr erforderlich. Auch die Fahraufträge für das FTS werden durch SAP ME gesteuert. Den Fahrzeugen obliegt neben dem Abtransport von Fertigteilen auch die Versorgung der Arbeitsplätze mit benötigen Komponenten. Statt in stereotyper Manier erfolgt dies vorausschauend mit intelligenter Logik anhand eines stetigen Abgleichs. Sobald eine Station frei wird, löst SAP ME den Transportauftrag aus. So ist eine gleichmäßige Auslastung bei konstantem Materialfluss garantiert.

Dank der von IGZ über das SAP MES realisierten Maschinenanbindung ist es neben der Integration der fahrerlosen Transportfahrzeuge möglich, die Montage­arbeitsplätze mittels dynamischer Para­meter, wie etwa individueller Tischhöhen bei variierenden Produkten, gezielt zu steuern oder auf Maschinensensoren zu reagieren. Jeder sicherheitsrelevante OPC-UA-Prozess wird bestätigt und Feedbacks lassen sich in der speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS) verarbeiten, was zu einer hohen Prozessstabilität führt. Die automatisierte Datenerfassung erfolgt anhand von Ist-Prozessparametern. Zudem lässt sich jeder Wärmepumpe eine eigene Serial-/SFC-Nummer zuweisen, die eine einhundertprozentige Rückverfolgbarkeit gewährleistet. Diese Shop-Floor-Control-Nummer (SFC) im SAP MES bildet die Basis für die Produktrückverfolgbarkeit bei Stiebel Eltron und ersetzt die bisherige, nur eingeschränkt skalierbare Eigen­entwicklung im SAP ERP.

Seit dem erfolgreichen Go-Live im ­Oktober 2021 steht Stiebel Eltron mit SAP ME ein selbstregelndes Produk­tionssystem auf Basis intelligenter Algorithmen zur Verfügung, das im regulären Betrieb keine Fertigungssteuerung benötigt. Der Haustechnik-Experte profitiert von einem deutlichen Plus an Effizienz und Wirtschaftlichkeit sowie einem Maximum an Transparenz und durchgängiger Traceability. Weiterhin konnte man durch die papierlosen Prozesse das Fehlerrisiko minimieren. Umfangreiche, in SAP ME integrierte, Analyse- und Reporting-Tools bieten Stiebel Eltron kontinuierliche KPI-Analysen als Basis für weitere Prozessoptimierungen.

„Wir sind froh, IGZ als Implementierungspartner ausgewählt zu haben“, betont Kai Zimmermann, der verantwortliche Projektleiter seitens Stiebel Eltron. „Das IGZ-Team bestand aus hochengagierten Ingenieuren und überzeugte mit umfangreichen Branchen- und IT-Know-how sowie großer Erfahrung bei der Direktanbindung von technischen Anlagen.“ Das IGZ-Maschinen-Emulationstool, ein Digital Twin der Produktionsmaschinen, sorgte während der Testphase für Qualitätssicherung und diente als Projektbeschleuniger. Das Simu­lationsmodell ließ sich eins-zu-eins auf den produktiven Betrieb übertragen und ermöglichte so einen zügigen und reibungslosen Produktivstart. „SAP ME ist ein zentraler Pfeiler der zukünftigen Systemlandschaft bei Stiebel Eltron“, so Kai Zimmermann weiter. Im Rahmen der gesetzten SAP-Strategie wird durch den Marktführer SAP höchster Investitionsschutz gewährleistet, und es besteht volle Unabhängigkeit von Maschinen- und Anlagenherstellern sowie MES-Anbietern. Für SAP ME sprachen darüber hinaus ­indirekte Kostenvorteile durch die hohe Integrationstiefe im Vergleich zu Individualentwicklungen, welche durch einen roll-out-fähigen und schnell-skalierbaren Building-Block-Ansatz mit Eigenleistung sowie einem hohen SAP-ME-Standard-Abdeckungsgrad der Stiebel Eltron Prozesse erreicht wurde.

„Das Pilotprojekt ‚Multiline‘ im Bereich der Wärmepumpenfertigung wurde exakt nach Termin- und Budgetvorgabe in höchster Qualität abgewickelt“, führt Kai Zimmermann weiter aus. „Das Hauptanliegen von Stiebel Eltron, langfristig auf ein skalierbares, flexibel einsetzbares und ausrollbares MES in einem anspruchsvollen Produktionsumfeld vertrauen zu können, ließ sich vollständig erfüllen, und wir freuen uns auf die anstehenden Roll-outs sowie auf die kommenden Aufgaben und Herausforderungen“. „Die enge Integration von Produktionsmaschinen, Aggre­gaten und fahrerlosem Transportsystem inklusive der nahtlosen Integration in diverse Module unseres SAP ERP und des zukünftigen S/4 hat uns verschiedene Effizienzvorteile verschafft. Der Effekt in puncto Prozessstabilität bei der Fertigungssteuerung und Informationsbereitstellung dank Online-Werkerführung sowie Rückverfolgbarkeit ist größer als bei bisherigen Lösungen“, betont Ulrich Babenschneider, Leiter Blechfertigung bei Stiebel Eltron. „Uns ist sehr wichtig, nur Lösungen auszurollen, die Produktions-, Planungs- und IT-Ressourcen schonen und keine Ressourcen verschwenden. So können wir uns vollumfänglich auf Mehrwerte konzentrieren, die Zukunft nachhaltig gestalten und den Kundennutzen kontinuierlich weiterentwickeln“, ergänzt Babenschneider.

Stiebel Eltron verfügt nach einem Jahr Projektlaufzeit bereits über ein hohes Maß an Kompetenz, um bei anstehenden MES-Anpassungen weitestgehend autark agieren zu können. Zudem sind in dem Template für die Wärmepumpen­fertigung, das IGZ als Pilot erstellt hat, bereits sämtliche Kernanforderungen an die Stiebel-Eltron-typischen Fertigungsabläufe abgebildet. Die zentral bestimmenden Funktionsbausteine, sogenannte Building Blocks sowie der mit der Entwicklung einhergegangene Know-how-Transfer versetzen das hauseigene MES-Team darüber hinaus in die Lage, auch Roll-outs auf weitere Produktionsbereiche respektive Standorte zukünftig eigenständig vornehmen zu können.

In einem nächsten Schritt steht 2022 der durch IGZ unterstütze Roll-out für die Heizflansch-Produktions- und Prozesssteuerung an. Dabei möchte man auch eine Roboteranbindung via SAP PCo (SAP Plant Connectivity) realisieren, sodass die Fertigung in noch weiterem Ausmaß flexibilisiert wird. Im Rahmen des Unternehmenswachstums und aus den einhergehenden Standortexpansionen sowie Verlagerungsprojekten zwischen den Werken zur Kapazitätserweiterung ergeben sich verschiedene SAP-ME-Projekte. Diese kommen in den Bereichen Werkführung in der Montage, SMD-Anbindung in der Elektrofertigung, Kunststoffspritzguss und Roboteranbindung zur Anwendung. Außer­dem findet aktuell eine Einsatzanalyse von IGZ zur Implementierung von SAP EWM (SAP Extended Warehouse ­Management) für die Produktionsversorgung inklusive Integration in SAP ME statt. „IGZ verfügt neben ausgewiesener SAP-MES-Kompetenz auch über vielfältige Erfahrungen bei der SAP-EWM-Integration. Das zeichnet das Unter­nehmen aus“, unterstreicht Markus Linke, Bereichsleiter und Verantwortlicher für ­Digitalisierung in der Produktion und Logistik bei Stiebel Eltron. Linke ergänzt: „Weil die Teams auf beiden Seiten zudem partnerschaftlich perfekt harmonieren, stehen noch viele mögliche gemeinsame Projektaufgaben an, darunter die strategisch gesetzte Migration von SAP ME auf die neue ERP-Business-Suite SAP S/4HANA.“ Parallel soll zukünftig durch Einbindung von Montage­arbeitsplätzen und Stückzahlzählern in SAP PM (SAP Plant Maintenance) eine zustandsbasierte Wartung möglich sein, um die Maschinen- oder Anlagenverfügbarkeit nochmals zu steigern.

Der Autor Andreas Busch ist Verkaufsleiter SAP Manufacturing bei der IGZ Ingenieurgesellschaft für logistische Informationssysteme mbH.

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